Knastprediger/ Juni 1, 2021/ Gefängnisseeslorge, geistliches Wort/ 0Kommentare

einmal im Jahr schreibe ich ein geistliches Wort für den monatlichen Pfarrbrief in Frankenthal. Dies ist mein Beitrag für Juni 2021:

Vergangene Woche wurde in einem meiner Gesprächskreise die Frage gestellt, warum es denn katholisch und evangelisch gebe. Ich habe dann in einigen Worten erläutert, was die christlichen Konfessionen gemeinsam haben, worin Unterschiede liegen und warum es überhaupt mehrere Konfessionen gibt. Einer der Inhaftierten fasste zusammen, was er verstanden hat: „Das ist also wie die unterschiedlichen Dialekte – pfälzisch, bayrisch, norddeutsch usw.“

Ich bin von diesem Vergleich sehr beeindruckt und begeistert. So schön hat mir noch niemand Ökumene erklärt. Ich finde dieses Bild sehr passend und tiefsinnig. Jeder Dialekt hat seine Besonderheiten und eigene Wörter, die sich nicht so einfach ins Hochdeutsche oder in einen anderen Dialekt übersetzen lassen –z.B. kenne ich nur im Pfälzischen das Wort „schdrimbisch“ („strümpfig“ steht nicht im Duden). Ich erinnere mich auch noch an manche irritierende Blicke, wenn ich während meines Studiums in Frankfurt jemandem anbot, die Türe aufzuheben (statt „aufhalten“). Manche Dialekte sind für mich ohne Übung nahezu unverständlich, andere liegen meiner eigenen Sprache sehr nahe. Kölsch verstehe ich nur, weil ich seit über 30 Jahren BAP-Fan bin, sprechen kann ich es jedoch überhaupt nicht. In Bayern habe ich kaum Verständigungsprobleme, an der Nordsee unter Umständen schon.

So geht es mir auch mit den verschiedenen Konfessionen. Manches bleibt mir fremd (sogar manches in meinem eigenen, katholischen „Dialekt“). Umgekehrt habe ich mich nach einem lutherischen Abendmahlgottesdienst im Magdeburger Dom gefragt, wo denn jetzt der Unterschied zu unserer Messe ist. Wenn mir in anderen Konfessionen etwas komisch vorkommt, dann heißt das nicht, dass es falsch oder „unchristlich“ ist, sondern es liegt nur daran, dass ich mit diesem religiösen Sprachstil ungeübt bin.

Glücklicherweise ist eine Verständigung möglich, weil alle ein mehr oder weniger gefärbtes „christliches hochdeutsch“ verstehen und sprechen. Uns verbindet viel mehr als uns trennt: wir alle sind von Gott dem Vater geschaffen und in seiner Hand geborgen; wir leben die Gemeinschaft mit Jesus Christus, der Mitte unseres Glaubens und unserer Kirche(n) ist; und wir spüren die Liebe Gottes zu uns Menschen, die uns in seinem Heiligen Geist geschenkt ist.

Aus den deutschen Ländern wurde die Bundesrepublik Deutschland, in der die sprachlichen und kulturellen Eigenheiten weiter Bestand haben und bewahrt werden. Ich bin Pfälzer und Deutscher und Europäer. Das weckt Hoffnung auf eine christliche Gemeinschaft, in der niemand Angst vor Identitätsverlust haben muss.

Und wie großartig ist es, dass mir all diese Gedanken geschenkt wurden von einem Inhaftierten, der selbst (noch) kaum die „christliche Sprache“ spricht.

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